Walt Whitman Besondere Tage

Walt Whitman
Besondere
Tage

Buchgestaltung
Konzeption / Entwurf / Art Direction
für Die Andere Bibliothek, Berlin

04.2024, Band Nr. 472

»Specimen Days«, »Besondere Tage« nannte Walt Whitman seine Sammlung autobiographischer Texte. Ihr Herzstück sind seine Erlebnisse während des Amerikanischen Bürgerkriegs. Drei Jahre lang zieht Whitman durch die Lazarette Washingtons, lauscht den Erzählungen der Verwundeten, ihren Hoffnungen und Ängsten, und gibt seelischen Zuspruch – ein erschütterndes Zeugnis jener Seite des Krieges, die nicht in die Geschichtsbücher Eingang findet. Dazu gesellen sich Erinnerungen an die Kindheit und Naturbeschreibungen. Der Duft von Heu, das sanfte Gebrumm der Hummeln, die Luftsprünge der Schwalben, die letzten Strahlen der untergehenden Sonne über dem Teich: eine Quelle des Friedens und des Glücks, worin die menschliche Existenz eingebettet erscheint.« So beschreibt der Verlag das Werk in Kürze auf seiner Homepage.

»Er ist Amerika!« urteilte einst der amerikanische Dichter Ezra Pound über Walt Whitman und dessen Lebenswerk. So sind es auch die Assoziationen von gewaltigen und imposanten amerikanischen Landschaften, unendlichen Weiten, großen Himmeln und reizvoller, unberührter Natur, die den Leser während der Lektüre von »Besondere Tage« begleiten und welche die Buchgestaltung maßgeblich inspirierte. »Naturbeschreibungen von bestechender sprachlicher Schönheit und poetischer Intensität“ lassen wunderbare Bilder von Landschaften und Lichtstimmungen vor dem inneren Auge entstehen. Diese Stimmungen einzufangen, ist die Intension der Naturaufnahmen auf Cover und im Vor- und Nachsatz. Die fotografische Umsetzung spiegelt in Form von Landschaftsaufnahmen Whitmans unbedingte Verbundenheit zur Natur und Liebe zu Amerika wider. Die Drehung des Motivs visualisiert dabei Whitmans »experimentelle und unartige« Weise zu schreiben sowie dessen ungewohnten, eigenwilligen Blicks auf die Dinge. Whitman gilt als »Begründer der modernen Dichtung Amerikas«, »grenzüberschreitend zwischen Künstlichkeit und Natürlichkeit«.

In unprätentiöser, leicht zugänglicher Sprache schildert er detailreich Beobachtungen der ihn umgebenden Lebenswelt. Oft sind es ganz einfache, beiläufige Szenen, denen er seine vollständige Aufmerksamkeit widmet. Beschreibungen von Feldwegen, der Wiesen und Gräser, der letzten Sonnenstrahlen überm Teich und der intensiven Farben und Düfte. Mit großem Freiheitsdrang und völliger Bewunderung für die kleinen und großen Naturphänomene ist für den Dichter alles gleichermaßen bedeutsam, »kein Thema zu klein oder zu groß: Insekten, Licht, Wälder, Erde, Himmel, Blumen, Früchte, Sprache,…« Er lenkt den Blick auf scheinbar Nebensächliches, was auch als Zeichen seiner Schlichtheit und Aufrichtigkeit interpretiert werden kann. So spiegelt sich Whitmans Bescheidenheit und Naturverbundenheit im haptischen Erleben eines schönen, natürlichen Leinens als Einbandmaterial wider, dessen Blaugrau-Ton mit dem Himmel des Covermotivs korrespondiert.

Der Innenteil des Buches konnte durch eine Vielzahl an Schwarz-Weiß-Portraits Whitmans bebildert werden. Dies verdanken wir Whitmans großem Interesse am neu aufkommenden Medium der Fotografie. Selbstbewusst setzte er sich gern und gekonnt in Szene. Die Kombination aus einfarbigen Portraits Whitmans und vierfarbigen Naturmotiven dient der Buchgestaltung als visuelle Metapher seines »Lebensmosaiks«. »Besondere Tage« ist ein Sammelsurium und Zusammentrag von Erinnerungen, Notizen, Aufzeichnungen, welche ohne größeren Zusammenhang wie ein »dickes Bündel zusammengerollt und mit Strick verschnürt« worden ist.

Covermotiv, sowie Vor- und Nachsatz:
Fotografie @ Katrin Schacke